Vor Beginn des zweitägigen EU-Gipfels in Brüssel hat Bundeskanzler Olaf Scholz Israel sein Vertrauen ausgesprochen. Der Krieg zwischen den Hamas und Israel ist eines der wichtigsten Themen des Gipfels. Er habe "keine Zweifel" daran, dass Israel bei seinem militärischen Vorgehen gegen die Hamas im Gazastreifen das Völkerrecht einhalten werde, sagte Scholz. "Israel ist ein demokratischer Staat mit sehr humanitären Prinzipien, die ihn leiten."

Zugleich forderte der Bundeskanzler eine Versorgung der Zivilbevölkerung im Gazastreifen mit Hilfsgütern, was derzeit durch Israels Blockade des Gebiets nur minimal möglich ist. Scholz zufolge wolle auch Israel, dass humanitäre Hilfe geleistet und Mitarbeiter internationaler Organisationen in Sicherheit gebracht werden könnten, "und das muss dann ja auch irgendwie stattfinden können". Diese Position werde auch von den USA und "vielen anderen" geteilt.

Spaniens Premier will Waffenstillstand fordern

EU-Ratspräsident Charles Michel hat zum Gipfelbeginn Israels Recht auf Selbstverteidigung betont, das Bekenntnis dazu aber mit dem Zusatz "im Einklang mit dem internationalen Recht" eingeschränkt. 

In der EU herrscht derzeit Uneinigkeit darüber, mit welchen Begriffen in der Abschlusserklärung die Versorgung von Zivilisten gefordert werden soll: Deutschland will etwa den Eindruck vermeiden, dass Israel mit einer Forderung nach einem Waffenstillstand zu einem Ende des Kampfs gegen die Hamas aufgefordert wird. Im Entwurf der Abschlusserklärung des EU-Gipfels findet sich nun offenbar eine Kompromissformel. Darin werden laut der Nachrichtenagentur dpa "humanitäre Korridore" und "Feuerpausen" gefordert, um die Versorgung der Zivilbevölkerung im Gazastreifen zu ermöglichen.

Irland und Spanien hatten sich für eine Waffenruhe ausgesprochen. Spaniens Premier Pedro Sanchez sagte etwa am Rande des Gipfels, er wünsche sich einen Waffenstillstand. Zugleich zeigte er sich kompromissbereit: "Wenn wir dafür die Bedingungen nicht haben, dann zumindest eine humanitäre Pause."

Ratspräsident Michel warb im Kontext der unterschiedlichen Positionen für eine einheitliche Haltung der EU-Staaten. "Einige in der Welt" würden derzeit versuchen, Teile der internationalen Gemeinschaft gegen die Union aufzubringen und "Zweifel an unserer Glaubwürdigkeit zu wecken", warnte er. "Unsere Einigkeit wird das beste Argument sein, das wir gegenüber dem Globalen Süden vorbringen können."

Orbán an Seite Israels – und gegen Ukraine-Hilfe

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán, der seine EU-Kritik zuletzt deutlich intensiviert und sich vom Kurs der meisten Mitgliedsländer abgesetzt hatte, stellte sich hingegen klar an die Seite Israels. Das Land dürfe alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, damit sich ein Angriff wie die Attacke der Hamas vom 7. Oktober nicht wiederhole. 

Anders hingegen äußerte er sich zur Frage der Ukraine-Hilfe, einem weiteren wichtigen Thema des Gipfels. Er sei stolz auf seine "Friedensstrategie", mit der Ungarns Regierungschef seine Kontakte zu Russlands Präsidenten Wladimir Putin umschrieb, sagte Orbán. Auf die Frage eines Reporters, ob er eine Waffenruhe befürwortete, die auf den Nahostkonflikt bezogen war, sagte Orbán: "Ja, die ukrainisch-russische Waffenruhe." Milliardenschwere Hilfe für die Ukraine, wie sie auf dem Gipfel diskutiert werden soll, blockierte er zuletzt.

Auch in der Migration, einem weiteren Schlüsselthema des Gipfels, dürfte Orbán in Konflikt mit vielen anderen EU-Regierungschefs geraten. Es gebe einen "klaren Zusammenhang zwischen Terroranschlägen und Migration", sagte er in Brüssel. "Diejenigen, die die Migration unterstützen, unterstützen auch den Terrorismus." Anfang Oktober hatte Ungarn zusammen mit Polen per Veto eine gemeinsame Abschlusserklärung auf einem Gipfel in Granada zur geplanten EU-Asylreform verhindert, die unter anderem eine Umverteilung von Migranten zwischen Mitgliedsländern vorsah.